A cappella Chor Villach
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Helmut Wulz, 22. Mai 1936 - 29. April 2023

Ein ganz persönlicher Nachruf von Michael Tschida
(KLEINE ZEITUNG, Redakteur Kultur & Medienressort)


Bist Du nit bei uns...

Lieber Helmut!

Ich habe ja leider nur von 1979 bis 1988 im A-cappella-Chor Villach gesungen, den Du knapp ein Jahr nach meiner Geburt gegründet hattest. Aber auch wenn ich Dich und Deinen Chor danach aus den Augen und Ohren verloren habe - aus dem Sinn nie. Dafür war die Zeit damals viel zu prägend. Du hast mich, wie zig andere auch, in ganz jungen Jahren mit Musik angesteckt. Was ich kann und bin, daran trägst Du jedenfalls nicht wenig "mit Schuld". Im Namen aller Infizierten: Danke für den Virus (horribile dictu heutzutage)!

Da sah ich nun, nachdem ich erfahren hatte, dass Du gegangen bist, auf der Homepage des A-cappella-Chors neugierig nach, welche Projekte Ihr in den letzten Jahren realisiert habt, noch mit Dir, dann ohne Dich. Und dann wurde ich immer tiefer in die Vereinschronik hineingezogen, und schon tauchten Bilder von seinerzeit auf, als ich noch dabei sein durfte: Vom Genuss, bereits als Villacher Gymnasiast beim Carinthischen Sommer unter Claudio Abbado, mit Hermann Prey und dem London Symphony Orchestra den großen Herrn Bach kennenzulernen - "Ich will den Kreuzstab gerne tragen".

Von den Aufführungen der "Marienvesper" meines zum absoluten Favoriten gewordenen Claudio Monteverdi, in der ich als 18-Jähriger mitten im Maturastress neben Deiner Uta Altus singen durfte - "Laudate pueri, Dominum", mit keiner Musik ist man dem Himmel näher!

Von der Konzertreise nach Esslingen, auf der wir anlässlich einer imposanten Ausstellung von Anton Kolig auftraten.

Und natürlich speziell von der Japan-Tournee 1986: Als wir bei gefühlten 41 Grad Hitze und 82 Prozent Luftfeuchtigkeit in einem Freizeitpark vulgo "Zeckenwaldl" (© Obmann Hannes Klammer) in voller Tracht "Tritsch-Tratsch-Polka" & Co sangen. Oder als wir irgendwo in einer dschungeligen Naturarena beim wohl kuriosesten Konzertprogramm der Welt mitwirkten.
1. Teil: Kärntnerlieder und japanische Volkslieder, für die wir gefühlt 1000 sinnlose Silben auswendig lernen mussten.
2. Teil: ohrenbetäubende Yamato-Trommler.
3. Teil: Mozarts Requiem.

Zugegeben, leicht war es nicht immer mit Dir.
Rauhe Schale. Hart. Aber herzlich. Weicher Kern, manchmal. Die zwei Seiten konnte auch ich oft spüren. Einerseits: Als Teenager saß ich ja seinerzeit mit einer struwwelpetrigen Frisur &aaculte; la Bruno Pezzey in der Tenorgruppe Deines Chores immer just neben dem so liebenswerten Glatzkopf Stefan Gerdej, dem Komponisten der eigentlichen Kärntner Landeshymne: "Bist du nit bei mir". Einmal hast Du mitten im Proben im Volkshaus Perau unterbrochen, angesichts meiner Haarpracht in die Runde gerufen "Kauft's dem Tschida a Badehauben!" und dann einfach weiter dirigiert; so ein rotes Gesicht habe ich mein Lebtag lang nie wieder gehabt.

Andererseits: Mit Dir und Deiner Frau und Deinen drei Töchtern bei Speck, Brot und Most am Tisch sitzen zu dürfen, in Eurem Refugium oben in den Karawanken, auf dem Illitsch, der eigentlich Idyllitsch heißen müsste - hohe Auszeichnung für mich jungen Ungestüm.

Wahrscheinlich fühlte ich mich dort auch deswegen so wohl, weil ich 1962 nur ein paar Kilometer weiter östlich quasi schon auf der Welt war, nur noch nicht deren Licht erblickte, denn meine Mutter war zu der Zeit sommers Wirtin auf der Bertahütte unterm Mittagskogel und trug mich unter ihrem Herzen...

Ich ging dann ja 1981 "furt von da Wölt, ins Steirische ause", wie es in Kärnten so schön heißt - zum Studieren nach Graz. Dort genoss ich auch fortan fantastische künstlerische Erlebnisse als Chor- und Ensemblesänger, mit Deinem leider allzu früh verstorbenen Neffen Wolfgang im von ihm gegründeten chor pro musica graz, den später Gerd Kenda übernahm. Der ist auch so ein von Dir Angesteckter, neben dem ich als Chorobmann fungieren und eine ganze Zeitlang in einer Studenten-WG zusammenleben durfte. Ein echter Lebensfreund.

Und ich wurde Gründer und Leiter von ORFEO, des damals europaweit ersten Festivals ausschließlich mit Vokalmusik, ich wurde Kultur- und Musikjournalist... alles ebenfalls direkte Nachwirkungen Deines Einflusses.

Wenn ich von Euren Choraktivitäten hörte oder las, war ich immer wieder erstaunt und ein bisschen neidig, wie ihr Euch - Irland! England! Frankreich! Südafrika! Singapur! - in der Welt herumgetrieben habt und auf dem Olymp der Chormusik: von Bachs "Matthäuspassion" bis zu Honeggers "Johanna auf dem Scheiterhaufen", von Beethovens "Neunter" bis zu Dvořáks "Stabat Mater", Brahms-Requiem, Verdi-Requiem, "Messias", "Schöpfung", "Carmina Burana"... o fortuna!

Bei all dem Olympischen hast Du freilich nie auf das Bodenständige, kleine Feine vergessen, auf Deine große Liebe, das Volkslied. Das hast Du als Lehrer (auch als meiner am Peraugymnasium in Villach), als Komponist, Arrangeur und Singwochenleiter leidenschaftlich gepflegt, für das ORF-Landesstudio und das Volksliedwerk, als Sammler und Forscher, vor allem nach alten Schätzen in deutschen Sprachinseln in Osteuropa - "Ich weiß ein schönes Liedelein"...

Ja, das wusstest Du immer. Du warst eine starke Stimme. Eine echte "Choryphäe".
Und jetzt fehlst Du.
Bist du nit bei uns...

Uta, Deine so wunderbare Frau, die mit Dir seit Euren Studienjahren in Wien durch Dick und Dünn, Dur und Moll gegangen ist. Deine Töchter Waltraud, Irmgard, Gerhild, samt deren Familien. Deine treuen Choristinnen und Choristen. Freunde, Wegbegleiter, Musikliebhaber. Sie alle sind in Trauer darüber, was sie an Dir verloren haben. Aber sie dürfen glücklich sein darüber, was sie an Dir hatten und durch Dich (nicht nur künstlerisch) gewannen und erleben durften. Wie ich.

Eines der tiefgängigsten Werke, das ich unter Dir sang, war die Begräbnismotette "Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen?" von Johannes Brahms. Im Schlusschoral heißt es mit Martin Luther so tröstlich: "Wie Gott mir verheißen hat: Der Tod ist mir Schlaf worden."

Der Tod, Schlafes Bruder. Immer Gänsehautstelle beim Singen dieser Zeilen. Schon gar jetzt, wenn so viele an Dich denken. Mit Fried und Freud fahr Du dahin, sanft und stille...!

21.5.2023, Oststeiermark

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